Gebaut wurde die H.F.42. "Providentia" im Jahr 1895 auf der Werft von J. C. Wriede in Finkenwerder. Das Schiff entspricht im Überwasseranteil den damals üblichen Hochseekuttern. Das Unterwasserschiff weist noch die Form der früheren Ewer auf. Daher ist Providentia ein „HochseeKutter-Ewer". Der einzig erhaltene! Das Einsatzgebiet für Sommer- wie Winterfischerei waren die weiten Fischgründe der rauen Nordsee. Gesegelt und gefischt wurde mit 3-4 Mann Besatzung! Einen Motor hatte das Schiff damals nicht. Die Netze wurden per Hand eingeholt und der Fang in einer Bünn gelagert. Die Bünn war der Raum, der durch Löcher im Schiffsboden mit dem umgebenden Wasser in Verbindung stand und zur Aufnahme der gefangenen Fische diente. Diese wurden darin, bis zum Verkauf auf dem Fischmarkt in Hamburg, am Leben und somit im wahrsten Sinne des Wortes fangfrisch gehalten.
Aus dem Bericht des Fischers Nicolaus Prigge aus dem Jahr 1919 geht hervor, wie die "Providentia" eine spektakuläre Rettungsaktion an der H.F.275. "Anna Elise" vollbringt.
Anfang des 20. Jahrhunderts segelten an die hundert Finkenwerder Fischereifahrzeuge auf der Nordsee und versorgten Hamburg mit Frischfisch. Die Konkurrenz der großen Fischdampfer jedoch, Preisverfall für Frischfisch und dramatische Totalverluste bei der Winterfischerei reduzierten die Flotte derart, dass 1925 nur noch zwei Dutzend Segler übrig geblieben waren. Anfang der 20er Jahre erhielt die "Providentia" eine Motorisierung. Die Eigner des Schiffes wechselten bis 1923. Dann wurde das Schiff wegen Spritschmuggels vom norwegischen Zoll aufgebracht und in Frederikstad zwangsversteigert. 1924 fuhr es unter dem Namen ("Providentia" Aalborg/DK). Kurz darauf erfolgte ein Weiterverkauf nach Schweden unter dem Namen „Shell XV“, wo sie vermutlich als kleines Bunkerboot eingesetzt wurde. Ab 1930 fuhr der ehemalige Kutterewer als Küstenfrachter unter dem Namen „SIV“.
Inzwischen war das Schiff mehrfach umgebaut worden; u. a. wurde das überhängende Heck entfernt, es hat eine Schanzkleiderhöhung erfahren sowie Klüverbaum und Besanmast verloren. Seit 1960 wurde "Providentia" als Taucher- und Bugsierfahrzeug und ab 1978 als Expeditionsschiff ins Nordpolarmeer sowie als Eisbrecher vor Stockholm eingesetzt. Viermal wurde das stark gebaute und stark motorisierte Schiff für Expeditionen ins Eis genutzt.
Seit Mitte der 1980-er Jahre wurde die "Providentia" überwiegend privat als Yacht und Bereisungsfahrzeug genutzt. Der Eigner war der Sohn einer schwedischen Papierfabrikanten-Familie.
1993 wurde "Providentia" von Joachim Kaiser wiederentdeckt, von Matthias Betzold erworben und auf eigenem Kiel nach Hamburg überführt. Der Liebhaber hat in den folgenden 15 Jahren enorm in das Schiff investiert, wesentlich in den Rumpf. Ca. 80 % der Planken und Spanten wurden erneuert, Vorsteven, Kielschwein, Decksbalken, Deck, Balkweger, Leibhölzer, Relingstützen ebenfalls. Großmast, Besan und Klüverbaum wurden von Matthias Betzold selber gebaut. Fast alle Püttinge und Metallbeschläge für Rigg, Masten, Gaffeln und Klüverbaum wurden neu hergestellt. Darüber hinaus wurden alle nötigen Blöcke besorgt, außerdem alle Juffern. Das Schiff verfügte bereits über einen kräftigen Motor. Zwei 1300 Liter fassende Dieseltanks wurden angefertigt und eingebaut, darüber hinaus die Auspuffanlage sowie eine neue hydraulische Ruderanlage. Neu angefertigt wurden ebenfalls Scheuerleisten, Anker, Lüfter, Klampen, Doppelkreuzpoller, und die Beschläge für Masten und Spieren.
Die Ostseeschule übernimmt "Providentia“ von Matthias Betzold in Egernsund auf der Werft. Nach dem Leerräumen des Schiffes und dem Abnehmen der großen Planen, die das Schiff in den letzten Jahren gut „konserviert“ haben, wurde das Deck komplett neu kalfatert, die Decksöffnungen provisorisch geschlossen und die vielen vorhandenen Metallteile für Masten, Rigg etc. gestrichen. Während eines zweiwöchigen Aufenthalts auf der Slipbahn der Werft von Christian Jonsson hat "Providentia" auch am Rumpf ein Refit erfahren: Die Werft erledigte das Nachkalfatern des Rumpfes und den Austausch von alten Plankennägeln, wobei wichtig ist zu erwähnen, dass lediglich ein kurzes Plankenstück ausgetauscht werden musste! Mit einer großen Zahl ehrenamtlicher HelferInnen wurden die übrigen Arbeiten erledigt: Teer kratzen, Primer streichen, Erneuerung der Zinkanoden, Überprüfen von Ruder- und Wellenanlage, frische Farbe und Antifouling streichen, Schleifen und Ölen der Leibhölzer, Abziehen und Ölen der Masten.
Das Schiff war bis Dezember 2012 auf der Werft von Christian Jonsson, um den Schandeckel aufzusetzen und die doppelten Planken am Heck anzubringen. Mitte Dezember wurde "Providentia" unter eigener Maschine fahrend nach Flensburg überführt. Von hier haben die Pädagogen und Jugendlichen der Ostseeschule Flensburg nur einen kurzen Weg, um am Schiff zu arbeiten. In den folgenden Monaten wurde die Bilge akribisch gesäubert, Spanten und Planken von innen mehrfach imprägniert, der Motor für den Anstrich vorbereitet und ein provisorischer Fußboden eingebaut. Die Jugendlichen der Ostseeschule, die später mit "Providentia" in See stechen werden, haben Messe und Vorschiff überplant und die Wände von Kabinen, Sanitärbereich und Kombüse vermessen und provisorisch eingebaut. Im Sommer wurden neue Wanten und Stagen angebracht. Außerdem erhielt die "Providentia" ein neues Schanzkleid. Darüber hinaus wurde das gesamte Holz an Deck geschliffen, geölt und lackiert. Der Motor erhielt wie auch die Tanks einen neuen Anstrich. Zu guter Letzt wurden die Decksaufbauten geplant.
Neben der Organisation von Materialspenden für die Navigation und Sicherheit stand nun der Bau der Bäume und Gaffeln für Groß- und Besanmast an. Nach Erstellung des Segelplanes konnten die Segel vermessen und bestellt werden. Im Schiff wurde Betonballast eingebaut, der den bisherigen Stahlballast aus Eisenbahnschienen ersetzte. Die Jugendlichen drechselten außerdem die Belegnägel aus Esche. Die Beschriftung des Spiegels und des Rumpfes erfolgte entsprechend historischer Quellen. Der hintere Aufbau wurde erstellt und der Rumpf lackiert. Endlich konnten Klüver-, Groß- und Besanbaum montiert werden. Unter Deck wurden Hauptschott und Maschinenraumschott eingebaut. Nachdem die Segel pünktlich fertig wurden, war das Ziel „Rumregatta 2014“ erreicht! Nach einigen Probesegelschlägen wurde das Verfahren zur Zulassung als Traditionsschiff eingeleitet.
Der Aufbau über der Messe wurde weitgehend fertiggestellt. In der zukünftigen Messe und im Vorschiff wurde die Wegerung eingebaut. Anschließend konnte die notwendige Brandschutzbeschichtung aufgebracht werden. Im Anschluss an die Rumregatta 2015, auf der wir uns diesmal nur gezeigt haben, ohne mitzusegeln, ging es erneut auf die Werft. Ankerklüsen wurden eingebaut sowie Deck und Unterwasserschiff kalfatert, nachdem auch einige Planken ausgetauscht worden waren. Knapp 2 Kilometer Kabel und der große Verteilerkaster fanden ihren Weg unter Deck; und nach dem Einbau der Frischwasser- und Fäkaltanks wurden die entsprechenden Leitungen verlegt.
Es wurde mit dem Innenausbau begonnen; zunächst mit den Schotten (Wänden) von 2 Vorderkabinen, Toilette und Waschraum. Später wurden nach und nach die Kojen eingebaut. Das gesamte Deck wurde komplett nachkalfatert und anschließend geschliffen und geölt. Es erfolgte der Einbau von Lenzleitungen mit den notwendigen Pumpen. Das Schiff bekam auch eine Zentralheizung. Im Maschinenraum fanden Generator, Wechselrichter und Ladegeräte ihren Platz. Eine Rauchmeldeanlage mit 9 Meldern sorgt für Sicherheit; ebenso 2 voneinander unabhängige Feuerlöschpumpen. Beleuchtung und Steckdosen wurden montiert.
Neben der Fertigstellung des Innenausbaus lag das Hauptaugenmerk auf der Akquise von Sponsoren für die vielen weiteren Ausrüstungsgegenstände, die gemäß der Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe an Bord sein müssen. Nach der Kompensation vom Magnetkompass und der Überprüfung der Funkanlagen konnten wir uns zur Abnahme durch die BG Verkehr melden! Seit Ende April ist "Providentia“ nun ein Traditionsschiff mit Brief und Siegel.
Nach einigen weiteren Schritten zur Fertigstellung des Schiffes, wie etwa das endgültige Einrichten der Kojen kam "Providentia“ richtig in Fahrt: So standen mehrtägige und mehrstündige Gästefahrten, die Teilnahme an der Rumregatta und der Kieler Woche, ein deutsch-dänisches Schülerprojekt, ein Törn zu den Lotseninseln in Schleimünde sowie natürlich mehrere Fahrten mit SchülerInnen der Ostseeschule auf dem Törnplan. Während der Liegezeiten an der Flensburger Hafenspitze war das Schiff für Besucher zugänglich und gewann so viele weitere LiebhaberInnen.
Jeweils in den Wintermonaten wurde die "Providentia“ wieder für die kommenden Saisons flott gemacht, u.a. stand ein Werftaufenthalt für Arbeiten am Unterwasserschiff an. 2019 fanden wieder viele unterschiedliche Törns statt, die Crew und die Schule fieberten jedoch einem besonderen Event entgegen. Mit dem Projekt "Seegang 2019" wurde "Providentia" nämlich erstmals für drei ganze Wochen zum schwimmenden Klassenzimmer. Mehr Infomation dazu finden Sie in unserem Newsfeed. Einen detailierten Reisebericht der Schülerinnen und Schüler gibt es hier zu lesen.